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Bayern Kurier - Juli 2003


Geigenbautradition in Mittenwald

Von sanftem und zartem Ton

Ist die Rede von wertvollen Geigen, fällt meist der Name Cremona. In der italienischen Stadt wirkten Meister wie Amati, Stradivari und Guarneri. Diese Tradition brachte ein armer Schneiderssohn in seine Heimat Mittenwald. Der Grenzort zu Österreich gilt seitdem als Zentrum qualitätsvollen deutschen Geigenbaus. Mittenwald feiert dieser Tage den 350. Genburtstag des Meisters Matthias Klotz.

Selbstbewusst thront er hoch oben auf dem Steinsockel, ein kräftiger Bursche, der energisch an einer Geige schnitzt. Das Bronzedenkmal des Matthias Klotz vor der Mittenwalder Pfarrkirche Sankt Peter und Paul, des Begründers der Mittenwalder Geigenbau-Tradition, goss Ferdinand von Miller im Jahre 1890, der auch die Münchner "Bavaria" fertigte. Vor 350 Jahren, am 11. Juni 1653, kam Klotz als zweites Kind des armen Schneiderehepaares Urban und Sophia zur Welt. Die Anfänge von Klotz' Ausbildung sind nicht bekannt. Wahrscheinlich erlernte er sein Handwerk bei einem unbekannten Instrumentenmacher in Füssen. Gesichert durch ein überliefertes Zeugnis dagegen ist seine Gesellenzeit in der Bottega di Lautaro al Santo des Allgäuer Lautenbauers Pietro Railich im italienischen Padua in den Jahren 1672 bis 1678. Ins Reich der Legenden gehören dagegen Geschichten, wonach Klotz in Cremona bei Nicolo Amati in die Lehre gegangen und dort  in handwerklichen Wettstreit mit Antonio Stradivari und Giuseppe Guarneri getreten sei. Wahrschein,icher ist die Kunde, Klotz sei Schüler des Absamer Meisters Jakob Stainer gewesen. Im Jahre 1684, nach langer Wanderung, über die nichts bekannt ist, kehrte Klotz in seinen Heimatort Mittebwald zurück. Dort begann er seine Arbeit als Geigenbauer. 1685 heiratete er die Weberstochter Maria Seiz. Kurz nach der Hochzeit schenkte ihm derc Schwiegervater ein Haus im Ortsteil Gries, wo Klotz seine Werkstatt eröffnete. Klotz, der um 1686 erstmals als "Bürger und Lautenmacher" bezeichnet wurde, fand alle Voraussetzungen für sein Gewerbe vor: das Bürgerrecht, Heirat und Hauserwerb. Die Gegend um Mittenweald bot ihm günstigste Bedingungen: gute Absatzmöglichkeiten auf den Hnadelswegen nach Süden und Norden, weite Wälder, aus denen er seine Hölzer holte, vor allem Ahorn und Fichte, und - besonders wichtig - keine Konkurrenz. In den folgenden Jahrzehnten kaufte und verkaufte Matthias Klotz eine Reihe weiterer Häuser, Gärten und Felder. Seine Werkstatt verlegte er in Mittenwald dabei mehrfach: von Gries über den Oberen Markt in die Herrengasse. Als Matthias Klotz am 16. August 1743 mit über 90 Jahren als hoch angesehener Mann starb, führten seine Söhne Georg, Sebastian und Johann Carol die Werkstatt fort. Sebastian entwickelte das charakteristische Klotz-Modell, das in der Tonbildung zwischen den Vorbildern A,inati und Stainer changiert und auf handwerklich höchstem Niveau den Mittenwalder Geigenbau des 18. und frühen 19. Jahrhunderts vorbildhaft prägte. Klotz' Söhne und Schüler hatten ihre Kunstfertigkeit weiter vermittelt. Mittenwalder Geigen wurden damals in ganz Europa gespielt. Doch der Mittenwalder Geigenbau kam in die Krise, als die Instrumente durch Massenproduktion immer mehr an Qualität verloren und die im Egerland billig maschinell gefertigten Geigen die Mittenwalder in harten Konkurrenzdruck brachten. Sogar König Max II. sorgte sich um seine Geigenbauer: 1858 regte er an, eine Geigenbauschule zu gründen, um die Konkurrenten mit Qualität aus dem Feld zu schlagen. Der Erfolg zeigt sich noch heute: Schüler aus der ganzen Welt kommen nach Mittenwald, um dort die Kunst des Geugenbaus zu lernen. Die Tradition des Geigenbaus hat sich in Mittenwald bis heute gehalten. Als Geigenbaumeister unterhalten Rainer Leonhardt, Josef Kantuscher, Anton Maller, Joachim Roy und Anton Sprenger ihre Werkstätten, dazu kommen Georg Schandl, Leo Sprenger und die Firma Krahmer-Pöllmann, die sich auf Zithern, Kontrabässe und Zupfinstrumente spezialisiert haben.  Das Hplz für die Mittenwalder Geigen lassen die Meister nicht mehr wie Matthias Klotz aus den heimischen Wäldern schlagen, sondern holen sich das mindestens 15 Jahre alte, naturgetrocknete Holz aus hoch gelegenen aldgebieten Bosniens, Österreichs, Italiens oder der Ukraine. 150 bis 200 Stunden arbeitet ein Meister an einem Instrument. Nach wie vor ein Geheimnis ist die Zusammensetzung des Lacks, der großen Einfluss auf die Tonbildung hat. Die Mittenwalder Geugen gelten als zart und sanft, bestens geeignet für Kammermusik. (Peter Baier)

(Bayern Kurier - Juli 2003)

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