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Münchner Merkur - Mai 2001


In den Olymp der Geigenbauer aufsteigen

Mittenwald rüstet sich für vierten internationalen Wettbewerb

Mittenwald (vs)

"Der Geigenbauwettbewerb ist wie Olympia", sagt Juror Josef Kantuscher. Denn im Vierjahres-Rhythmus schicken Instrumentenbauer aus aller Herren Länder Violinen, Bratschen, Celli und Bogen nach Mittenwald. Dort beurteilt auch dieses Jahr eine internationale Jury vom 1. bis 13. Juni die Qualität von Handwerk und Klang. Wer vor den Augen der gestrengen Prüfer besteht, dem ist der Durchbruch sicher.

"Deshalb habe ich den Wettbewerb vor 16 Jahren begründet", erklärt Kantuscher, denn er selbst wurde auf diese Weise bekannt. "Junge Geigenbauer müssen eine Chance haben, sich zu etablieren und zu sehen, wo sie stehen", findet er. "Ich habe einen Bewertungsbogen entworfen", der enthalte gut 20 Kriterien bezüglich Klang und Handwerk. Zehn Juroren - meist Professoren oder Konzertmeister - beurteilen die Instrumente und Bogen zehn Tage lang, dann werden die Formulare in der Kurverwaltung per Computer ausgewertet. Wie viele Mittenwalder teilnehmen, kann Karin Schilling, Vorsitzende des Wettbewerbs-Ausschusses, nicht sagen. "Alles läuft total anonym", verrät sie. Nach dem Auspacken werden die Instrumente  nummeriert, um eine objektive Beurteilung zu garantieren. Bekannt ist allerdings, dass Rainer Leonhardt sich zum vierten Mal der Jury stellt. Er führt eine Mittenwalder Werkstatt, die vor 75 Jahren von seiner Familie gegründet wurde. Seine Geige und Bratsche sind bereits wettbewerbsfähig, am Cello werkelt er noch. "Das geht bei mir immer auf den letzten Drücker", erzählt Leonhardt. Offensichtlich ein Erfolgsrezept, denn mit seinen 38 Jahren hat er bereits zahlreiche Medaillen im In- und Ausland gewonnen. Nicht nur die 188 Teilnehmer freuen sich über die Gelegenheit, Gold, Silber oder Bronze zu holen. Auch die Marktgemeinde als Veranstalter hat Vorteile: "Auf die Gästezahlen wird sich der Wettbewerb sicherlich positiv auswirken", erwartet Kurdirektor Klaus Ronge. Im vergangenen Jahr wurden immerhin rund 10000 Besucher gezählt. "Vor allem beim Rahmenprogramm ab dem 23. Mai gehen wir davon aus, dass auch viele Nicht-Fachleute anreisen werden." Sogar ein ausländischer Rundfunksender hat sich angekündigt: "Die BBC war kürzlich in der Geigenbauschule, da habe ich gleich von dem Wettbewerb erzählt", sagt Schilling. Nun kommt Mittenwald via Radio nach England, Frankreich und Skandinavien. Damit keine Erwartungen enttäuscht werden, sind Schilling und ihre meist ehrenamtlichen Helfer seit zwei Jahren unermüdlich. Auch heute treffen sie sich um 16 Uhr zu einer Sitzung in der Geigenbauschule, denn es gibt noch viel zu tun.

Geigenbaumeister Rainer Leonhardt braucht über 100 Stunden, um ein Instrument herzustellen.

Ob er auch dieses Jahr wieder mit seinen wertvollen Stücken erfolgreich sein wird? (Foto: ts)

(Münchner Merkur - Mai 2001)

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