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Münchner Merkur - Januar 2004

Münchner Merkur - Januar 2004


Spitzenqualität statt Serienware

Der Geigenbau ist in Mittenwald ein bedeutender Wirtschaftsfaktor (von Eva Stöckerl)

Mittenwald - Oberammergau wurde durch das Passionsspiel weltberühmt. Mittenwald durch den Geigenbau. Früher einmal war er der absolut wichtigste Wirtschaftszweig, hat bis zu 350 Instrumentenbauer und ihre Familien ernährt. Heute leben immerhin noch an die 50 Geigen- und Zupfinstrumentenbauer von dieser über drei Jahrhunderte gepflegten Handwerkskunst. Unterm Karwendel hängt der Himmel immer noch voller Geigen - trotz zunehmender Konkurrenz aus China. Von der Tradition und dem herausragenden Ruf der Branche profitiert Mittenwald viel mehr, als in den Köpfen verhaftet ist.

Matthias Klotz und seine Nachfahren haben Mittenwald zu einer unverwechselbaren Identität verholfen. Musiker und Musikliebhaber aus aller Welt pilgern an den Fuß des Karwendels, um sich ein Instrument maßschneidern zu lassen. Durch die Zunft hat es der Ort vor allem in der Verlegerzeit zu Wohlstand gebracht. Ein Umstand, dem der Markt seine schönen Häuser und sein Erscheinungsbild verdankt und damit auch die vielen Besucher.

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und Vorstand des Museumsvereins, ist diese Handwerkskunst für Mittenwald heute noch der größte Werbeträger und auch als solcher ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Alle vier Jahre ein Wettbewerb

Die Festivitäten 2003 anlässlich des 350. Geburtstags von Klotz hätten Tausende von Gästen angelockt. Und alle vier Jahre sorge der internationale Geigenbau-Wettbewerb für weltweite Beachtung. Viel Zulauf verspricht sich Leonhardt, wenn (voraussichtlich im Sommer) das Spezialmuseum für Geigenbau mit hochwertigen

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15 Instrumentenbauer haben in Mittenwald ein Geschäft angemeldet. Dazu zwei in Fachkreisen berühmte Tonholzhändler, die Hölzer für den Musikinstrumentenbau herstellen und weltweit exportieren. In der musikalischen Gemeinde hat auch das Großhandelsunternehmen GEWA seinen Sitz angemeldet - einer der größten europäischen Anbieter für klassisch mechanische Musikinstrumente. Für wesentlich mehr als die jetzt etablierten Handwerksbetriebe sei das Umfeld zu unergiebig, meint Leonhardt: "Es gibt keine Stadt ohne Geigenbauer mehr. Allein in München sind es 50." Die Selbstständigen stünden

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Mitarbeiter. Jeder spezialisiere sich auf den Neubau von Instrumenten, auf Kontrabass oder Cellobau, aufs Restaurieren alter Instrumente oder auf das Renovieren. "Es gibt kein Land, wo wir nicht schon hin verkauft haben", umschreibt Leonhardt das internationale Klientel. Zu seinen Hauptabnehmern gehöre Japan, deswegen sei er auch auf Messen in Tokio präsent. Die schwierige Wirtschaftslage, der teure Euro, die Zurückhaltung der Konsumenten geht an der Branche nicht spurlos vorüber. Dazu kommt Konkurrenz aus China, "relativ gute Qualität zu irrwitzig günstigen Preisen".

10000 Euro für ein Instrument

Zu den Berühmten seiner Zunft gehört Josef Kantuscher (80). Vor fast 50 Jahren hat er sich in Mittenwald selbstständig gemacht. Von den zwei Möglichkeiten, entweder Spitzenqualität zu liefern oder Serienware, hat er sich für ersteres entschieden. Der Slowene, der auch von der Münchner Staatsoper Aufträge erhielt, war noch vor zehn Jahren so gefragt, dass Kunden drei Jahre auf ein Instrument von Ihm warten mussten. Wer ein Instrument aus der Hand des Meisters

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Marktpreise und Ausbildung

An die 250 Streichinstrumente werden in Mittenwald alljährlich in Handarbeit hergestellt. Anfänger, Musikstudenten, Orchester- und Hobbymusiker  - in jeder Preisklasse findet der Interessent ein Instrument. Eine Werkstattgeige kann man ab 1500 Euro bekommen, eine Meistergeige ab 4000 Euro. Im Ort gibt es nicht nur Spezialisten für Violinen, Violoncelli und Kontrabässe, sondern auch für Zupfinstrumente wie Zither oder Mandoline und für historische Instrumente. Die staatliche Berufsfach- und Fachschule für Geigen- und Zupfinstrumentenbau wurde 1858 gegründet. Zur Zeit werden 40 junge Leute im Geigenbau ausgebildet. Wer in dieser Institution die Gesellenprüfung schafft, bringt die besten Voraussetzungen für die berufliche Laufbahn mit.

(Münchner Merkur - Januar 2004)