Presse

Süddeutsche Zeitung - Juli 2007


Auch Mozart spielte eine Mittenwalderin

Warum Rainer W. Leonhardt seine edlen Geigen und Celli trotz grpßer Konkurrenz in die ganze Welt verkauft (von Manfred Hummel)

Mittenwald - "Das ist mein Ding", hat Rainer W. Leonhardt ohne längeres Nachdenken erkannt. Da war der heute 44-Jährige noch noch ein Schüler. Damals ging es darum, ob der Spross einer Mittenwalder Geigenbauerfamilie in die Fußstapfen des Vaters und Großvaters treten würde. Sie haben es ihm freigestellt. Und er hat es gemacht, weil ihn "der Werkstoff Holt fasziniert". Es war nicht zu seinem Schaden. Das Anwesen am Isarufer wirkt großzügig, vor der Tür steht ein sportlicher Combi. Der umtriebige Geschäftsmann mit dem Goldring im Ohr ist auch noch Direktor des örtlichen Geigenbaumuseums und unterrichtet wie seine neun Meister-Kollegen an der örtlichen Fachschule für Geigenbau-und Zupfinstrumentenmacher. Das Spielen von Streich- und Zupfinstrumenten gilt bei der Jugend keineswegs mehr als "uncool". Deshalb besteht durchaus Nachfrage nach Instrumenten. Sogar die Fachschule kann nicht so viele Schüler aufnehmen, wie sich um die dreieinhalbjährige Ausbildung bewerben. Doch man dürfte die Hände nicht in den Schoß legen, sagt Leonhardt. Die Globalisierung hat längst auch die Mittenwalder Geigenbauer fest im Griff. Fuhren sie früher auf Flößen die Isar hinunter und wanderten durch ganz Europa bis an den Zarenhof nach St. Petersburg, um ihre Erzeugnisse an den Mann zu bringen, so drängt heute die Konkurrenz aus Osteuropa zunemhend aus China auf den Markt - wegen der billigen Löhne.

Sagnumwobener Beruf

Mittenwald am Fuß des mächtigen Karwendel-Massivs hat trotzdem seinen Ruf als weltberühmtes Zentrum des Geigen- und Instrumentenbaus bwewahrt. Etwa 40 Betriebe pflegen die Tradition. Begründet hat sie 1684 Mathias Klotz. Er war bei einem Meister in Padua in die Lehre gegangen, um den sagneumwobenen Beruf eines Geigenbauers zu erlernen. Zuhause stand genug gutes Tonholz in Tausend Metern Höhe. Dort wächst es langsamer und wird so härter. So kann der Geigenbauer dünnere Platten herausschneiden, die später besser schwingen. Klotz kam zur rechten Zeit wieder in die Heimat, denn der "Bozner Markt", von den Venezianischen Kaufleuten wegen Querelen mit den Südtirolern fast 200 Jahre nach Mittenwald ausgelagert, wurde wieder an seinen Ursprungsort zurück verlegt. Der Ort litt daraufhin eineige Jahre Not - Tourismus gab es noch nicht - dann brachte der Geigenbau Brot und Verdienst. Die höfische Musik kurbelte das Geschäft an. Auch Wolfgang Amadeus Mozart spielte eine "Mittenwalderin". Viele im Ort haben sich das Geigenbauen neben ihrem Hauptberuf angeeignet. Nicht selten hieß es "Hufschmied und Geigenmacher" oder "Metzger und Lautenmacher". Im Museum, einem der ältesten Häuser des Marktes, lässt sich die Historie multimedial nachvollziehen. Ein wichtiger Geschäftszweig Leonhardts ist der Handel mit alten Mittenwalder Geigen, von Ägidius, Josef und Georg Klotz, den Nachkommen des Mathias Klotz. Hundert Instrumente stehen zur Auswahl. Ein "schönes Stück" kommt auf 15000 Euro. Beim Bau einer neuen Geige setzt der Meister in seinem Drei-Mann-Betrieb auf Qualität und ist damit bisher gut gefahren, wie diverse Auszeichnungen belegen. Es beginnt bei der Auswahl des Materials. Sein Geschäftskapital ist ein Holzlager im Speicher des Hauses, Fichten- und Ahornhölzer aus den Wäldern der Umgebung, aber auch aus Bosnien, Österreich und Italien trocknen dort mindestens Zehn Jahre lang an der Luft, um einmal einen guten Ton abzugeben. Dann macht sich Leonhardt Gedanken über die Formgebung. Alte italienische und deutsche Geigen dienen als Vorbilder. Bei maßgeschneiderten Geigen ist seine Kreativität besonders gefragt, "Es ist extrem schwierig, bestimmte tonliche Wünsche zu erfüllen", sagt er. Eine geheimnisvolle Mischung aus Harzen und Naturfarben, darunter Schelllack, Drachblut, Weihrauch und Krappwurzeln bringt schließlich die Instrumente auf Hochglanz. Der Lack muss die richtige Konsistenz haben. Ist er zu weich, klebt er. Ein zu harter Lack hemmt das Holz zu schwingen, "Bergfeuer" oder "Stradivarius" heißen die Modelle, die nach vier Wochen Arbeit fertiggestellt sind. Als letzter Schritt folgt das "Setup". Die Geige wird für den Musiker spilefertig gemacht. Zu einer passablen Geige oder einem Cello gehört ein ordentlicher Bogen. Leonhardt spannt mongolisches Rosshaar ein. Die karge Vegetation der Steppen macht das Haar der Hengste dort besonders strapazierfähig. Ein guter Bogen kann deshalb teurer sein als das Instrument. Die Preisspanne reicht von 50 bis 50000 Euro mit Goldmontur. Auch das Restaurieren alter Instrumente spielt bei Leonhardt eine große Rolle. "Mein kleines Krankenhaus", nennt er seine Werkstatt, in der der Himmel voller Geigen hängt, allerdings in den unterschiedlichsten Stadien einer Grundüberholung. An der Wand paradieren die Werkzeuge wie die Soldaten eines Garderegements. Das Telefon klingelt, Anruf aus London. Der Vertreter einer internationalen Musik-Fachzeitschrift will wissen, ob Leonhardt wieder eine Anzeige schaltet. Der Mittenwalder verströstet den Mann in lässigem Englisch. Keine Frage, neben rennomierten Fachmessen ist der oberbayersiche Handwerksbetrieb auch im Internet vertreten. Das verschafft Leonhardt Kunden aus aller Welt. Etwa den Herrn aus Seoul, der mit einer Geige spielenden Dolmetscherin einflog, für 9000 Euro eine Violine samt Bogen und Kasten erstand. Er hatte nicht mal mehr Zeit für das Bier, das der Meister seinen Kunden nach Abschluss eines Geschäfts spendiert. Das Taxi zum Flughafen wartete schon vor der Tür.

Zum Sultan von Oman

Neulich ist Leonhardt nach Berlin gebraust, mit zehn Geigen, fünf Celli und zwei Bratschen im Wagen, um den kasachischen Staatsorchester seine Aufwartung zu machen. Im Herbst besucht er Ramis Bin Jumaan Bin Subti Al Oweira, den Generakmusikdirektor des Sultans von Oman. Der hat von dem Mittenwalder eine Geige und wertvolle Bögen erworben. Leonhardt wird mit seiner "fliegenden Werkstatt" die Instrumente warten. Aber auch die rothaarige Musikerin Monika Drasch mit ihrer grünen Geige war schon da. Und wie wird es weitergehen mit der Werkstatt am Mühlenweg? Hat der zwölfjährige Sohn Max Interesse am Geigenbau? "Es steht noch nicht fest, ob das sein Ding ist."

(Süddeutsche Zeizung - Juli 2007)

Weitere Details