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"Geigenbau aus Tradition" MUSIK & TRADITION

(Heft 24 - Mai 2013)

Geigenbau aus Tradition

350 Jahre können sich hören lassen (von Rainer W. Leonhardt)

In der Geigenbauwerkstatt Leonhardt werden, basierend auf der 350-jährigen Tradition des Geigenbaus in Mittenwald, seit dem Jahre 1926 Streichinstrumente in Handarbeit gebaut. Anton Dietl gründete die Werkstatt und baute sie in über 40 Jahren zur Meisterwerkstatt aus. 1968 übergab er das Geschäft an seinen Schwiegersohn Wilfried Leonhardt, dessen Vater Fritz ebenfalls Zupfinstrumentenmacher in Mittenwald war. Seit 1997 führe ich, Rainer W. Leonhardt die Meisterwerkstatt, meine leidenschaftliche Verbundenheit zum traditionellen Geigenbau drückt sich auch durch die Leitung des Mittenwalder Geigenbaumuseums über mehrere Jahre bis 2005 aus.

Der Geigenbau ist ein ganz besonderes Handwerk, das viele Traditionen in sich vereint. So spielt neben handwerklichem Können, Verbundenheit zur Natur und künstlerischem Geschick vor allem die Erfahrung eine große Rolle. Erfahrung und Kreativität geben dem Instrument den letzten Schliff. Nur so lassen sich einzigartige Instrumente bauen, die sowohl klanglich als auch handwerklich überzeugen. Nur in einem harmonischen Dialog zwischen Geigenbauer und Musiker lassen sich Ergebnisse erzielen, die ein Leben lang Bestand haben. Für meine Instrumente verwende ich ausschließlich alt abgelagerte, naturgetrocknete Fichten- und Ahorntonhölzer aus einheimischen Wäldern sowie aus Bosnien, Österreich und Italien. Freunde vergleichen unser Holzlager oft mit einem französischen Weingut - aus gutem Grun, denn auch feines Tonholz muss in Ruhe reifen - genauso wie ein alter Bordeaux.

Bis unsere Instrumente ihre endgültige Gestalt erhalten, sind viele unterschiedliche Arbeitsschritte notwendig. Voraussetzung für leichte Spielbarkeit und problemlose Handhabung ist das genaue Einhalten der Maßverhältnisse und Mensuren. Sichere Werkzeugführung und langjährige Erfahrungswerte sind bei den Weißarbeiten unerlässlich, um ein in sich harmonisches Instrument entstehen zu lassen. Die reine Arbeitszeit für den bau einer sogenannten "Weißen Geige" beträgt ca. 120 Arbeitsstunden. Auch bei den anschließenden Arbeitsgängen, dem Lackieren, halten wir uns an die Tradition und verwenden nur beste Naturharze., die nach altüberlieferten Rezepten hergestellt werden. Auf unsere Instrumente werden wie vor 250 Jahren die Lacke mit dem Pinsel bis zu 25 Mal aufgetragen. Denn was gut klingt, soll auch gut aussehen. Mastix, Kopal, Propolis, Schellack, Benzoe, Drachenblut, Weihrauch, Aloe, Krappwurzel und viele andere spezielle Harze und Farben werden in Öl oder Spiritus gelöst. um die klanglichen Eigenschaften zu fördern. Erst dadurch erhält das Instrument seinen weichen Glanz und sein vollkommenes Erscheinungsbild. All diese Komponenten zusammen ergeben die für den Musiker so wichtigen Faktoren wie leichte Ansprache, Ausgeglichenheit und einen großen, farbigen und warmen Ton, der ebenso tragfähig ist.

Wem das noch nicht genügt, dem zeigt ein Blick in unsere Werkstatt, dass wir in der Lage sind, auch besondere Kundenwünsche zu erfüllen. So berücksichtigen wir jederzeit gerne Sonderanfertigungen wie z.B. Löwenkopfschnitzereien, 7/8 Größe, Intarsien aller Art, doppelte Einlagen, ausgefallene Lackfarben oder Holzmaserungen. Alle Arbeiten werden von Meisterhand sorgfältig ausgeführt.

Interessierte, aber auch Ungeduldige dürfen uns gerne bei der Arbeit über die Schulter schauen - und eine kleine, anschließende Führung durch unsere Ausstellungs- und Werkstatträume sowie das Holzlager hinterlässt bei Ihnen sicherlich nicht nur besondere Eindrücke, sondern weckt auch das Verständnis dafür, dass "gut Ding auch Weile haben will".

Für den Musiker ist das Handwerkzeug nicht nur ein einfaches Hohleisen oder ein Wölbungshobel, für Ihn ist es Wirbel, Stimmstock, Steg, Griffbrett mit Obersattel, Feinstimmer und Kinnhalter. Diese Komponenten müssen ganz individuell angepasst werden, denn nur so entsteht die Verbindung zwischen dem Musiker und seinem Instrument. In meinem Probierzimmer finden Sie nicht nur genügend Muße, sondern auch jederzeit ein großes Sortiment an alten und neuen Geigen, Bratschen, Celli sowie die dazu gehörenden Bögen und Etuis. Unsere Auswahl reicht vom einfachen Schülerinstrument bis zum anspruchsvollen Solisteninstrument. Bringen Sie genügend Zeit mit, um in Ruhe die Instrumente zu vergleichen und auszuprobieren. Denn nur so wird aus einer wichtigen Entscheidung auch die richtige, die ein Leben lang hält.

Preise uns Auszeichnungen  belegen die gute Qualität der Produkte. Unter anderem gab es 1993 den Ehrenpreis vom französischen Geigenbauerverband und 1997 den Deutschen Musikinstrumentenpreis für das Violoncello "Bergfeuer" . Im vergangenen Jahr holte Leonhardt den Exportpreis Bayern. Den erhielt unser Geschäft für seine Innovationsfreude, die sehr gute Internetseite, einen Ebay-Handel und einen Facebook-Auftritt mit weit über 2000 Freunden.

Tradition und Moderne miteinander zu verknüpfen ist eine ebenso große Kunst wie der Bau eines gut klingenden Streichinstruments.

(MUSIK & TRADITION - Heft 24 - Mai 2013)

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