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"Geigenkauf mit Bergausflug" Deutsche Handwerks Zeitung

(Ausg. 5 - 8.03.2013 - 65. Jahrg.)

Geigenkauf mit Bergausflug (von Frank Muck)

Bei Rainer W. Leonhardt schaut man nicht einfach mal nur so vorbei. Wer bei dem Geigenbaumeister in Mittenwald eine Geige kauft, der kommt meist für einen längeren Besuch. Gerade erst hat Leonhardt mit einem Arzt aus Hannover einen Termin ausgemacht. Die ganze Familie reist demnächst für ein Wochendende an, um eine Geige auszusuchen. Wenn gewünscht, bucht Rainer W. Leonhardt seinen Kunden auch die Übernachtung, den Restaurantbesuch oder ein Wanderung, damit sich der Besuch in Oberbayern auch lohnt. Dei aus ganz Deutschland anreisenden Kunden sollen schließlich so viel Zeit wie nötig haben, ihr neues Streichinstrument im schönen Mittenwald - am Fuß des Karwendelgebirges - in Ruhe auszusuchen. Zu Leonhardt kommen die entsprechenden Kunden: Die mit Zeit, Geld und Muße. Nicht der berühmte Geigenvirtuose zählt dazu, sondern Otchestermusiker, Schüler, Studenten und der ambitionierte Hobbyviolinist. Und den Besucher erwartet in jedem Fall eine große Auswahl. Rund 80 Geigen, 30 Celli und 20 Bratschen hat der Geigenbaumeister ständig vorrätig. "Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei uns was findet, ist ziemlich hoch", sagt der 50-Jährige.

Kunden können so lange proben, wie sie wollen.

Ein eigener Proberaum erwartet den Kunden. Dort können die Instrumente in Ruhe getestet werden und der Meister steht mit Rat und Tat zur Seite. So schnürt Leonhardt seinen Kunden ein Gesamtpaket aus Auswahl, Beratung und Ambiente, das ihn unter den Streichinstrumentenbauern in der Geigenbauhochburg Mittenwald zu einer Ausnahme macht. Und natürlich werden nicht nur Neukunden bedient. Auch wer zur Reparatur oder Restaurierung kommt, ist bei Leonhardt richtig. Der Firmenchef ist sich nämlich sicher, dass er heutzutage ein Allroundangebit abgeben muss: Vom Kontrabass bis zur Violine. Beim Neubau konzentriert er sich dann allerdings auf Celli, Bratschen und Geigen.

"Die Wahrscheinlichkeit, dass man bei uns was findet, ist ziemlich hoch."

Grundvoraussetzung für den geschäftlichen Erfolg sei aber nicht das große Angebot, sondern die Qualität der Instrumente. Und die ist bei Geigenbau Leonhardt schon lange Tradition. 1926 gründete Großvater Anton Dietl den Betrieb, den er 1968 an Schwiegersohn Wilfried Leonhardt - sein Vater Fritz war ebenfalls Zupfinstrumentenmacher in Mittenwald - übergab. Wilfried Leonhardt hatte sich zwischenzeitlich auf Celli spezialisiert. Der jetzige Firmenchef Rainer W. Leonhardt stellte das Geschäft 1997 dann wieder etwas breiter auf. In der Musikwelt hat sich Leonhardt über die Jahre in aller Welt einen guten Namen gemacht. Preise und Auszeichnungen belegen die gute Qualität der Produkte. Unter anderem gab es 1993 den Ehrenpreis vom französischen Geigenbauverband und 1997 den Deutschen Musikinstrumentenpreis für das Violoncello "Bergfeuer". Im vergangenen Jahr holte Leonhardt den Exportpreis Bayern. Den erhielt das Geschäft für seine Innovationsfreude, die Art der Kundenbetreuung und für ein herausragendes Einzelgeschäft mit Oman, dessen Symphonieorchester er mit neuen Instrumenten ausstatten durfte. Die Hälfte seiner Produkte geht inzwischen in den Export. Es kommen Privatkunden zum Beispiel aus Österreich, der Schweiz, Belgien und Norwegen. Jedes Jahr findet auch ein knappes Dutzend Kunden aus Japan den Weg nach Mittenweald. Dorthin, nach Korea, China und die USA verkauft er seine Instrumente an den Handel.

Weltreisender lässt sein Leonhardt-Cello sprechen

Seit Leonhardt das Geschäft fit gemacht hat für das Computerzeitalter, wird auch der Verkauf übers Netz angekurbelt. Seit 15 Jahren gibt es eine eigene Webseite. Circa 2000 Freunde - hauptsächlich Musiker und Geigenbauer - posten bei seinem Facebook-Auftritt. Die Musiker selbst sorgen auf ungewöhnliche Weise für mehr Bekanntheit des Namens Leonhardt. Ein Weltreisender Cellist hat sein Instrument ein Reisetagebuch führen lassen und aus Sicht des Cellos seine Erlebnisse erzählt. Ein Ebay-Shop kurbelt den Umsatz beim Zubehörgeschäft an. Dort verkauft Leonhardt unter anderem Tonholz, das er nicht verwerten kann. Denn davon hat er reichlich. In einem eigens angelegten Holzlager unterm Dachboden stapeln sich Ahorn- und Fichtenhölzer, die dort ungetsört reifen können und die neben der Verabreitung und dem speziellen Lack dem Instrument seinen besonderen Klang verleihen. Aus diesem Holz fertigen Leonhardt und seine vier Mitarbeiter - zwei Meister und zwei Gesellen - 50 bis 70 Instrumente pro Jahr. Neben der sehr umfangreichlichen Kundenbetreuung. Dieses Zusätzliche Engagement habe durchaus seinen Preis, sagt der vierfache Vater. Freie Wochendenden gibt es bei Rainer W. Leonhardt eher nicht. Schließlich würden 80 Prozent der Vor-Ort-Geschäfte an Samstagen abgeschlossen. Doch Meister Leonhardt hat zum Ausgleich ein meisterliches Hobby: Den FC Bayern. Der große Fußballfan ist Vereinsmitglied und Fanbegleiter bei Auswärtsspielen, wie gerade erst beim Champions-League-Spiel in London, sorgt er dafür, dass die Fans zum Beispiel ihren Flieger nicht verpassen. Die Teilnahme im internationalen Wettbewerb beschert ihm regelmäßig Auswärtsspiele in Europa. So gehen nicht nur die Instrumente auf Reisen, sondern manchmal auch ihr Baumeister.

Außenwirtschaftsberatung

Rainer W. Leonhardt hat bei seinen Exportgeschäften von der Außenwirtschaftsberatung der Kammer profitiert. Rund 100 Außenwirtschaftsberater gibt es Deutschlandweit in den Handwerksorganisationen. Dort können sich Betriebe rund ums Auslandsgeschäft beraten lassen, egal ob es sich um einen kleinen grenzüberschreitenden Dienstleistungsauftrag handelt oder um eine große Lieferung um die halbe Welt.

(Deutsche Handwerkszeitung, Ausgabe 5 - 8. März 2013)

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