Bogen

Der moderne Streichbogen besteht aus der Bogenstange mit einer Spitze an einem Ende, einem Frosch genannten Spannelement und einem Beinchen genannten Drehgriff am Griffende. Die Rosshaar-Bespannung der Bogenstange wird Bezug genannt und stammt in der Regel von einem Schimmel. Die Spitze ist untrennbarer Bestandteil der Stange, direkt angearbeitet und nicht angesetzt. Sie ist hohl und nimmt das vordere, zusammengeknotete Ende der Bespannung auf. Aus ästhetischen Gründen ist die untere Fläche der Spitze oft mit einer dünnen Schicht Ebenholz und Elfenbein – dem Plättchen – verziert. Die Stange wird rund oder achteckig ausgeführt und besteht aus Hölzern wie Brasilholz, Brosimum guianense oder verwandten Arten. Letzteres kam vor allem bei Barockbögen zum Einsatz. Vor dem Frosch wird oft eine kunstvoll gestaltete Leder- oder Drahtumwicklung angebracht, das Daumenleder. Der Frosch besteht traditionell aus Ebenholz, jedoch sind zahlreiche andere, ebenfalls wertvolle Materialien im Gebrauch, wie Elfenbein oder Horn. Der Name des Froschs rührt von seinem Aussehen her, das an einen sitzenden Frosch erinnert, eine andere Interpretation verweist auf das häufige Wegspringen des Froschs bei alten Bögen ohne neuzeitliche Spannvorrichtung als Ursache für die Namensgebung. In den Frosch eingelassen ist die hintere Befestigung des Bezugs. Das Rosshaar wird durch einen Ring aus Neusilber, Silber oder Gold gehalten und gespreizt. Der hohle Frosch wird nach unten durch eine herausziehbare Platte abgedeckt, den Schub. Der Schub besteht oft aus Perlmutt, jedoch auch aus Neusilber, Silber oder Gold. Häufig ist in den Frosch beidseitig eine runde Perlmuttverzierung eingelassen, das Auge. Oben auf den Frosch ist die Bahn aufgeschraubt, ein eingelassenes Metallblech aus dem gleichen Material wie der Ring. In dieser Froschbahn gleitet beim Spannen des Bogens der hintere Teil der Bogenstange. In der Mitte der Bahn ist eine Ringmutter in den Frosch geschraubt, die im Zusammenwirkung mit der von hinten durch die bis auf Höhe der Froschmitte hohle Bogenstange gesteckte Schraube die Spanneinrichtung bildet. Die Schraube besteht aus einer Gewindestange mit einem aufgesetzten Drehgriff, dem sogenannten Beinchen. Das Beinchen wird meist aus dem gleichen Material gefertigt wie der Frosch und bei guten Bögen häufig noch mit eingelassenen Metallringen und einem Perlmuttauge auf der Endfläche verziert. Meisterbögen sind häufig auf der Stange im Bereich des Froschs beidseitig mit der Herstellersignatur gestempelt. Je nachdem, aus welchem Metall die Beschlagteile des Bogens angefertigt wurden, spricht man von Neusilber-, Silber- oder Goldbögen. Das Rosshaar wird mit Kolophonium eingerieben, um den Reibungswiderstand zwischen Saiten und Bogenbespannung zu erhöhen. Die Strichrichtung, bei der man den Bogen auf der Saite von der Spitze zum Frosch bewegt, bezeichnet man als Aufstrich, die umgekehrte als Abstrich. Bei den Instrumenten der Geigenfamilie werden starke Zählzeiten bevorzugt mit dem Abstrich, schwache Zählzeiten bevorzugt mit dem Aufstrich gespielt. Der namhafte Violinist Giovanni Battista Viotti prägte den Leitspruch «Le violon, c’est l’archet» („Die Geige, das ist der Bogen“). Damit wird die herausragende Bedeutung des Bogens auf das Spiel, aber auch den Klang der Streichinstrumente sehr gut definiert. Anscheinend wurde der Einfluss des Bogens auf den Klang der Geige schon zu Zeiten Viottis stark unterschätzt, was ihn vielleicht zu diesem Ausspruch veranlasst haben mag. Die Spannung des Bezuges bei den ersten Streichbögen wurde bei der Gambe mit dem Mittelfinger und bei der Violine mit dem Daumen erzeugt. Diese Bögen waren rund (aufwärts gewölbt). Zunächst verfügten alle Bögen über einen Steckfrosch. Die Spannung des Bogens konnte damit nur grob eingestellt werden, und zwar durch den Wechsel unterschiedlich hoher Frösche und die Anpassung der Haarlänge. In der Mitte des 17. Jahrhunderts waren die Bögen auch mit einer Zahnstange versehen, um die Spannungen zu regulieren. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Stange am Ende gebohrt und der Frosch mit einer Schraube, dem Beinchen, gespannt. Dadurch wurde eine feinere Abstimmung der Bogenspannung möglich, die dem Musiker das Finden eines optimalen Kompromisses zwischen Sprungfähigkeit und ruhiger Lage des Bogens ermöglicht. Frühe Barockbögen für die Violine hatten ein Gewicht von etwa 40 bis 50 Gramm bei einer Länge um 50–65 cm. Sie wurden aus verschiedensten Hölzern gefertigt, wie beispielsweise Eibenholz, besonders hochwertige auch aus dem harten Schlangenholz und aus Eisenholz. Ab etwa 1700 wurden die Bögen zunehmend länger, um lang anhaltende Noten besser ausführen zu können. Zudem erforderten die größer werdenden Konzertsäle einen kräftigeren Ton, weswegen man dazu überging, die Bogenstangen mit einem größeren Durchmesser zu fertigen, was sie zwar schwerer und damit träger, aber vor allem stärker und belastbarer machte. Um 1800 entwickelte der gelernte Uhrmacher François Tourte den Vorläufer des „modernen“ Bogens. Er fand, dass Pernambukholz (auch „Fernambukholz“) eine maximale Steifigkeit der Stange bei einem noch akzeptablen Gewicht erzielte. Mit diesem schweren Holz wurde der Bogen zunächst sehr kopflastig, durch starke Verjüngung zum Kopf hin sowie die Verwendung schwerer Metallteile an der Griffseite erzielte er jedoch wieder eine gute Balance. Mit der Konstruktion des Froschringes wurde es möglich, den Bezug als ein breites Band zu stabilisieren, was wiederum einen kräftigeren Ton ermöglicht. Die Stangen wurden ab dieser Zeit vornehmlich gebogen, um die Bruchgefahr zu reduzieren. Moderne Violinbögen wiegen ca. 61 g bei einer Gesamtlänge von ca. 73 cm. 1962 erfanden und patentierten Leon und Ray Glasser in New York den Bogen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. 1989 erhielt Claudio Righetti das erste Patent auf einen Bogen aus mit Kohlenstofffasern verstärktem Kunststoff. Bögen aus Verbundwerkstoffen (Glas-, Aramid- (Kevlar) oder Kohlenstofffaser u. a. in Epoxidharz oder Polyester) erreichen inzwischen das gleiche klangliche und spieltechnische Niveau wie gute Holzbögen und ersetzen zunehmend das in seinem Bestand gefährdete Pernambukholz. Im Vergleich mit Holz sind diese Werkstoffe außerdem sehr bruchsicher und unempfindlich gegen hohe Luftfeuchtigkeit. Zunehmende Verbreitung finden sie unter anderem wegen ihres vorteilhaften Preis-Leistungs-Verhältnisses. Violin-, Bratschen- und Cellobögen werden vom Daumen am Frosch gehalten, während Zeigefinger und kleiner Finger den Bogen ausbalancieren; Mittel- und Ringfinger liegen locker auf. Bei der Suzuki-Methode wird daneben oft eine spezielle Anfänger-Bogenhaltung gelehrt, bei der der Daumen nicht am Frosch, sondern am Haaransatz aufsitzt. Beim Kontrabass gibt es verschiedene Bögen. Der französische Bogen ist wie ein Cellobogen aufgebaut und wird genauso gehalten. Solche Bögen werden z. B. in Frankreich, Italien, England und teilweise den USA verwendet. Im deutschsprachigen Raum wird dagegen fast ausschließlich der deutsche Bogen verwendet. Solche Bögen haben einen vergleichsweise hohen Frosch, dessen Außenkante in der Handfläche gehalten wird, während der Daumen über der Bogenstange liegt. Der Zeigefinger stützt zusätzlich an der Stange. Der kleine Finger balanciert am Frosch aus. Prinzipiell ermöglicht die deutsche Bogenhaltung eine höhere ausdauernde Kraftübertragung, während die französische Haltung eher agil ist. Bekannte Bogenbauer Die Vorlagen zu den modernen Bögen lieferten der Engländer John Dodd (1752–1839), dem es als erstem gelang, das Holz so zu spalten, dass es nicht mehr brach, sowie der Deutsche Christian Wilhelm Knopf (1767–1837), der die Froschbahn aus Metall erfand, und der französische Bogenbauer François Tourte (1747–1835), der unter dem Einfluss der Geiger Viotti, Kreutzer und Paganini dem Bogen die heutige Form gab und als erster Fernambukholz verwendete. Der französische Geigenbauer Jean-Baptiste Vuillaume baute zwar selbst keine Bögen, erfand aber einige Innovationen wie die runde sogenannte „Vuillaumeschiene“ oder Bögen aus alternativem Material (Metall). Viele der bedeutenden französischen Bogenbauer des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie Mitglieder der Familie Lamy, Dominique Peccatte, François-Nicolas Voirin, aber auch Hermann Richard Pfretzschner arbeiteten zumindest eine Zeitlang in seiner Werkstatt. Weitere Verbesserungen erreichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Eugène Sartory.

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